Gezähmter Urwald

Gezähmter Urwald

«Flachs Sugo Tandem». Hier werden bescheiden «Geschichten aus dem Schrebergarten» versprochen, aber geliefert wird weit mehr als dieser Untertitel und das trockene Cover erwarten lassen. Stephanie Elmer, «zuhinterst im Kanton Glarus» aufgewachsen und jetzt journalistisch in Zürich tätig, hat in Luzern nicht nur Kulturwissenschaften gebüffelt, sondern offensichtlich auch die Gärten am Rande der Stadt lieben gelernt. Grosszügige und originelle Fotografien von Gabi Vogt machen deren Vielfalt sichtbar, und Menschen schildern, auf welch unterschiedliche Weisen sie die Parzellen dieser Oasen nutzen.

Besonders viel los ist, wenn jeweils an einem Septembersamstag bei Stefano und Maria die Sugo-Produktion angesagt ist. «Der Baustellen-Ofen ist klein, der Topf darauf gross.» Es gibt dann Spaghetti für alle. Bilder erzählen weiter. Auch über die ruhigeren Phasen im Winter oder mitten im Jahr: «Es ist Hochsommer, heiss, und das Grün der Gärten, das rundherum wie gezähmte Urwälder spriesst, leuchtet in der Abendsonne.»

Setzlinge mit Schutzdach, Spritzkanne, Wasserfässer. Auch ganz andere Fotos; Gemüse ferner Kontinente, kleine Kunstwerke von Gartenhäusern. Gartenzwerge sind selten. Wenn sie auftreten, dann geballt. Einmal ist vom Gartenareal als «klitzekleinem Weltmodell» die Rede. Da leben und wirken verschiedenste Leute eine Zeitlang nebeneinander, «mal besser, mal weniger gut». Nein, einfach sei das nicht immer, räumt die «Arealchefin» ein, aber Kollegialität und Freundschaften überwiegen.

Selbstverständlich könnte, was hier gezeigt wird, überall sein. Allerdings ohne Ausblick zum Vierwaldstättersee. Auch ein Expertennachwort gibt es. Stefan Ineichen, Stadtökologe in Zürich bestätigt, was wir als Stand der Dinge zur Kenntnis nahmen: Bei etlichen Pflanzen- und Tiergruppen weisen Städte heute mehr Artenvielfalt auf als ihr grünes Umland. Untersuchungen in Zürich, wo für rund 5500 Familiengartenparzellen eine Bio-Bewirtschaftung vorgeschrieben wurde, haben mehrfach gezeigt, dass die Biodiversität aufgeblüht ist. Garantiert findet, wer zu ökologischer Praxis neigt, in den Porträts gleich Parallelen zum eigenen Tun.

Hans Steiger, p.s. Buchbeilage